Nachleben der Antike, einmal anders: Die Nemeaden 2008

Im Altertum standen die Spiele von Nemea, die alle 2 Jahre stattfanden, auf der Prestigeskala an dritter Stelle, nach denen von Olympia und Delphi. Im Corpus Pindaricum ist ein Buch den Siegern von Nemea gewidmet. Die Ausgräber aus Berkeley haben es verstanden, genug Geld aufzutreiben, um den Besuchern mit dem teilweisen Wiederaufbau des Zeus-Tempels und einem sehr schön gestalteten Museum den Geist von Nemea nahezubringen. In dieser Absicht wurde auch eine Society For The Revival Of The Nemean Games gegründet, in deren Honorary Comitte sich neben Sportgrössen wie Sergey Bubka und Kipchoge Keino auch Prominenz aus dem Kulturleben befindet (u.a. Mikis Theodorakis und Umberto Eco). Seit 1996 werden jeweils im Jahr der Sommerolympiade die Spiele der Neuzeit organisiert.

Folgende Wettkämpfe werden ausgetragen:
1. Ein Stadionlauf im teilweise ausgegrabenen antiken Stadion, ca. 100m. Gestartet wird in altershomogenen Gruppen von Männern und Frauen. 2008 waren dies etwa 500 aus verschiedenen Ländern, vor allem aus der Argolis und den USA. Der Älteste war 84 (ein Grieche), der Jüngste 4 (ein Albaner). 3 Teilnehmende (darunter der Schreibende) kamen aus der Schweiz, einer aus Japan.

2. Der Lauf "Auf den Spuren des Herakles" von Kleonai nach Nemea, 7,5 km. Hier haben etwa 400 Personen teilgenommen. Ältester war ein Grieche (77), der Jüngste 6 (wieder ein Grieche), 4 kamen aus der Schweiz.

Dazu kam 2008 noch erstmals als eine Art Show-Einlage ein Hoplitodromos. Dieser war 520 v. Chr. als letzte Neuerung bei den Nemeaden eingeführt worden. Ausgetragen wurde er von einer aus 12 Mann bestehenden Gruppe aus (wen wunderts) Sparta.


Warten auf die Flamme

Eröffnet wird der Anlass, indem man auf einem Altar ein „heiliges“ Feuer, überbracht durch den Dhimarchen von Nemea, entzündet.

Als ich 2004 diese Spiele mit ihrer unvergleichlichen Stimmung (eine Art Bezirksturnfest mit internationaler Beteiligung) sah, war für mich als alten Pindariker klar: 2008 bin ich dabei. Und so kam es dazu, dass ich im zarten Alter von 66 Jahren erstmals in meinem Erwachsenenleben freiwillig an einem sportlichen Wettkampf teilgenommen habe.

Am 21. Juni musste mich bereits um 0820 in Nemea melden. Die Organisation war ungriechisch, hervorragend geplant (an der Spitze stand Stephen G. Miller, der emeritierte Grabungsleiter von Nemea, aus Berkeley), mit dem Aufgebot wurden auch Busfahrpläne verschickt. Offenbar wollte man den alten Herren die Möglichkeit geben, am Morgen in der "Kühle" zu starten. Auf dem Parkplatz mehrere drahtig wirkende Grauköpfe, die meine Zuversicht, ich könnte mein Ziel ("Nicht letzter werden in meiner Serie") auch wirklich erreichen, ernsthaft ins Wanken bringen.

Nach der Anmeldung geht es ab ins Apodyterion (hier ein Zelt, an der Stelle, wo auch das antike Apodyterion stand), wo man Kleider und Schuhe (das Rennen findet barfuss statt) abliefert und dafür einen Chiton mit einem Strick als Gurt fasst.


Das Apodyterion

An einem Balken hängen nach antikem Vorbild Ölkrüglein, wo man sich bedienen kann, um sich etwas einzusalben, was tatsächlich belebend auf die Muskeln wirkt. Warten (ziemlich lang), ein wenig Stretching (scheu, fast versteckt, weil fast niemand das macht, aber ich denke an die Ermahnungen, die ich neben ironischen Bemerkungen auch noch aus der Schweiz mitgenommen habe). - Manchmal komme ich mir, obwohl barfuss, vor wie in einem billigen Sandalenfilm.

Nun wird meine Gruppe (Alter 65-68) aufgerufen. Und es wird doch noch griechisch: Grosses Gezeter von einem, der sich schon vor 3 Monaten angemeldet hat. Er reklamiert lauthals, weil er von einem, der sich eben erst angemeldet hat ,aus der Gruppe verdrängt wird. Er vermutet wohl Bestechung. Die Erklärung, man starte eben nach Altersgruppen, nützt nichts. Schliesslich schreitet man dennoch zur Vereidigung; "Schwört Ihr, dass Ihr den Regeln der Nemeischen Spielen gehorcht und nichts tut, was Euch, Eurer Familie oder dem Geist der Nemeischen Spiele schadet?" - "Ich schwöre!". Abmarsch durch den antiken Tunnel ins Stadion. Wenn man hinauskommt, ruft der Herold den Namen. Ein wirklich grossartiger Moment, darauf habe ich 4 Jahre gewartet!

Der Einzug

Die Startbahn wird ausgelost, indem man eine Marke aus einem Helm zieht. Man bezieht die Startposition auf den antiken Startschwellen: Zehen in den Rillen, Start im Stehen mit nach vorne gestreckten Armen, wie man das von den Vasenbildern kennt.


Die Hellanodiken (Schiedsrichter) kontrollieren pingelig, ob man die Zehen vorschriftsgemäss in den Rillen hat. Der Start ist nach antikem Vorbild durch ein Seil abgesperrt, das hinunterfällt, wenn es losgeht. . "Poda para poda" - "apite!“ Der erste Gedanke: Mein Gott, wie die losrennen! Dann: Gas geben und mindestens einen hinter mir lassen!

Am Schluss sind es sogar zwei. Der nächste Gedanke: Schon vorbei? Vier Jahre lang hast Du jedem erzählt, dass Du hier rennen willst, und jetzt schon ist alles aus! Dann: Gegenseitiges Schulterklopfen. Ein wirklich überwältigendes Glücksgefühl!

Der Gruppensieger bekommt zunächst eine Tänie und einen Palmwedel, am Abend bei der Siegerehrung nach antikem Vorbild einen Kranz aus Sellerie. Alle Teilnehmenden bekommen ein T-Shirt „Nemea 2008“ und einen Pin, der sie beim Nachtessen zu Gästen der Society For The Revival Of The Nemean Games macht. Die begleitenden Familienmitglieder und Freunde sind Gäste des Dhimos von Nemea.

Klar ist: In vier Jahren bin ich wieder dabei.

Heinz Schmitz (Bilder: Ursula Schmitz)

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